Landnutzung und Ernährung von Städten am Beispiel Wiens: das Wirken menschlichen Handelns auf Ökosysteme innerhalb und außerhalb ihrer Grenzen.

 

Immer mehr Menschen leben in Städten: seit 2008 sind es mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung und 2050 werden es bereits mehr als zwei Drittel sein. Durch Urbanisierung wachsen nicht nur die Städte selbst, sondern auch ihre Verantwortung ein ‚Gutes Leben für Alle‘ innerhalb der planetaren Grenzen zu ermöglichen. Globale Abkommen wie das Pariser Klimaabkommen, die UN-Nachhaltigkeitsziele oder die Biodiversitätscharta untermauern und sichern diese Bestrebungen. Voraussetzung jedes Lebens auf diesem Planeten und damit unser sorgfältigstes Gut ist der Boden und dessen biologische Produktivität durch Photosynthese. Gerade in Städten ist Boden ein knappes Gut und urbane Landnutzungskonflikte kristallisieren sich beispielsweise um Fragen wie Nahrungsproduktion oder Wohnraum bzw. Erholungsgebiete oder Verkehrsinfrastruktur.

 

Urbane Landnutzung endet jedoch nicht an den Stadttoren: Ernährung ist nur ein Beispiel dafür, wie die Stadt mit ihrer Region, mit ihrem Land und dem Rest der Welt verbunden ist. Sie entsteht durch die Lieferung landwirtschaftlicher Produkte in die Stadt, um die Ernährung der Stadtbewohner* innen zu sichern und wirkt am Ort ihrer Produktion bzw. Verarbeitung sowohl ökologisch auf die dortige Umwelt als auch sozial auf deren Beschäftigten wie beispielsweise den Bäuer*innen. So betrachtet endet auch die Verantwortung der urbanen Gebiete als sogenannte Konsum- ‚Hotspots‘ nicht an ihren Stadtgrenzen. Geht es um Verantwortung von Konsumentscheidungen wird diese gerne in den Bereich des jeweiligen Individuums verschoben, was jedoch zutiefst den Einfluss verschiedenster äußerer Faktoren auf diese Entscheidungen vernachlässigt. Welche Lebensmittel, produziert zu welchen Bedingungen, können an welchen Einkaufsorten zu welchen Preisen besorgt werden? Oder da in Städten immer mehr Außer-Haus gegessen wird: zwischen welchen Speisen, gekocht aus welchen Lebensmitteln, zu welchen Preisen kann in der Kantine oder im Restaurant gewählt werden? So komplex diese Fragen wirken: sie sind durchaus beeinflusst von politischen Entscheidungen verschiedenster Ebenen angefangen von der Stadtverwaltung über die staatliche bis hin zur globalen Ebene.

 

Ernährung und ihre Umweltwirkungen gewannen nicht nur wissenschaftlich große Aufmerksamkeit: in den letzten Jahren hat sich ein breites Bewusstsein über die Umweltwirkungen von Lebensmitteln entwickelt. Einen wichtigen Beitrag leistete dabei sicherlich das Konzept der Fußabdrücke, die als Nachhaltigkeitsindikatoren den Verbrauch verschiedener ökologischer Ressourcen quantifizieren. Bekannte Beispiele sind hier der ökologische Fußabdruck, der die notwendige biologisch produktive Fläche misst, oder auch andere reine Ressourcen-Fußabdrücke wie der des Wassers oder des Lands. Im Kontext der Fokussierung auf die Klimakrise konnte sich darüber hinaus der sogenannte CO2-Fußabdruck etablieren. Dieser veranschaulicht die Treibhausgasemissionen, die mit dem Konsum eines Produkts bzw. eines Lebensstils verbunden sind.

 

Zur Erforschung des urbanen Food-Water-Energy-Nexus im Rahmen des Projekts IN-SOURCE wurde analog zu den oben genannten Fußabdrücken ein in der Wissenschaft etabliertes Konzept in die Hand genommen, um urbane Landnutzung sowohl innerhalb als auch außerhalb der Stadtgrenzen – hier in Bezug auf Ernährung – zu quantifizieren und mögliche veränderte Ernährungsweisen und deren Folgen abschätzen zu können. Das Konzept der sogenannten HANPP (Human Appropriation of Net Primary Production bzw. auf Deutsch: menschliche Aneignung von Nettoprimärproduktion) misst die Tiefe der menschlichen Eingriffe in die trophische Energie von Ökosystemen. Die Nettoprimärproduktion (NPP) ist die Menge an Biomasse, die durch den Prozess der Photosynthese abzüglich des Eigenbedarfs der Pflanzen in einem Ökosystem produziert wird. Die menschliche Aneignung dieser Energie passiert durch zwei verschiedene Vorgänge: erstens durch die Änderung der Landbedeckung (z.B. vom Wald zum Acker) und zweitens durch die Entnahme von Produkten (z.B. der landwirtschaftlichen Ernte). Beide Vorgänge werden im Rahmen dieses Konzepts quantifiziert (HANPPluc und HANPPharv). Der hier vorliegende HANPP-Explorer soll die Möglichkeit bieten Einblicke in die Welt der HANPP werfen zu können, dabei neue Perspektiven auf urbane Landnutzung zu gewinnen und mögliche zukünftige Entwicklungen zur Diskussion zu stellen.

 

Finde heraus…
… wo auf der Welt die Nahrung für Wien produziert wird und mit welchen Weltregionen Wien durch die Ernährung verbunden ist
… wieviel Biomasse und damit biologische Produktion in der Wiener Ernährung steckt
… mit wieviel menschlichem Eingriff in die biologische Produktivität[1] von Ökosystemen die Wiener Ernährungsversorgung verbunden ist
… wieviel menschliche Aneignung von biologischer Produktivität mit Landnutzung in Wien verbunden ist
… in welcher Relation die Aneignung in Wien zu der in der Ernährung steht

 

[1] Die biologische Produktivität oder auch Bioproduktivität beschreibt die Biomasseerzeugung auf einer bestimmten Fläche in einem bestimmten Zeitraum. Dabei unterscheidet man zwischen der Primärproduktion – dem Aufbau von Biomasse aus energiearmen Stoffen im Zuge der Photosynthese- und der Sekundärproduktion – der Umwandlung dieser Biomasse durch Konsum. Im Zuge dieser Betrachtung liegt der Fokus auf der menschlichen Aneignung von Nettoprimärproduktion.